Die einen ersehnen sie, die anderen wollen sie auf keinen Fall. Die Rede ist von der Impfung gegen Covid-19. Aus einer Bereitschaft oder auch mangelnden Bereitschaft, sich impfen zu lassen, ergeben sich durchaus interessante Fragestellungen für das Arbeitsverhältnis. Diese haben wir (JP) mit unserer Kooperationsanwältin für Arbeitsrecht, Kim Illmer (KI) von der Kanzlei Schumacher & Partner, beleuchtet. Lesen Sie hier das ganze Interview:

JP: Gibt es eine Impfpflicht für Arbeitnehmer?
KI: Nein, eine gesetzliche Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 existiert noch nicht, also gibt es bisher auch keine rechtliche Handhabe, jemanden zu einer solchen Impfung zu verpflichten. Die Corona-Impfverordnung regelt nur ein Recht auf eine Impfung. Dies gilt entsprechend auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen.

JP: Kann mein Arbeitgeber verlangen, dass ich mich impfen lasse und kann er Maßnahmen ergreifen, wenn ich mich nicht impfen lassen möchte?
KI: Nein. Ihr Arbeitgeber kann grundsätzlich nicht von einem Arbeitnehmer verlangen, dass er sich impfen lässt, es sei denn, eine solche Impfung ist für eine bestimmte Beschäftigtengruppe gesetzlich vorgeschrieben. Dies ist allerdings bei Corona-Schutzimpfungen (bisher) nicht der Fall.
Da es also keine Impfpflicht gibt, darf der Arbeitgeber grundsätzlich auch keine Maßnahmen gegen diejenigen Arbeitnehmer ergreifen, die sich wegen Bedenken gegen eine Impfung entscheiden. Es darf auch keine Sanktionen oder Diskriminierungen für Nichtgeimpfte geben. Insofern ein Arbeitgeber eine vertragsgemäße Beschäftigung von der Impfung abhängig machen sollte und dem Arbeitnehmer beispielsweise den Zutritt zur Arbeitsstätte oder zu bestimmten Bereichen verweigern sollte, gerät er unter Umständen in den sog. „Annahmeverzug“ – mit der Folge, dass der Arbeitgeber den vereinbarten Lohn trotzdem zahlen muss, sofern der Arbeitnehmer jedenfalls seine Arbeitskraft wie gewohnt vollumfänglich anbietet.

JP: Kann mit Hilfe einer Betriebsvereinbarung eine Impfpflicht in meinem Betrieb eingeführt werden?
KI: Eine Betriebsvereinbarung stellt laut Betriebsverfassungsgesetz eine betriebliche Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat dar, die die Rechte und Pflichten der beiden Parteien festhält und für den Betrieb verbindliche Normen definiert. Eine Betriebsvereinbarung kann beispielsweise die tägliche Arbeitszeit, Löhne und Urlaub regeln, aber auch Home Office-Abreden und Kurzarbeit.
Die Betriebsparteien müssen jedoch gemäß §75 Abs. 2 BetrVG bei ihrer Regelung die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten achten und schützen. Da eine Impfpflicht als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu verstehen ist, kann eine solche grundsätzlich auch nicht im Wege einer Betriebsvereinbarung durchgesetzt werden.

JP: Kann mein Chef mir ohne Impfung den Zutritt zum Arbeitsplatz oder zu sozialen Einrichtungen im Betrieb (Kantine etc.) verweigern?
KI: Auch dies ist grundsätzlich nicht möglich. Das sogenannte arbeitsrechtliche „Maßregelungsverbot“ aus § 612a BGB, welches die Benachteiligung von Beschäftigten verbietet, gilt in diesem Fall sowohl für Arbeitnehmer, die ihr Recht auf Schutzimpfung wahrnehmen, als auch für solche, die dies gerade nicht wollen.
Der Arbeitgeber muss beim Zugang zu sozialen Einrichtungen für die Einhaltung des Arbeitsschutzes sorgen, wozu insbesondere auch Hygiene- und Abstandsregeln zählen, wobei hier organisatorische Maßnahmen vor personenbezogenen Maßnahmen Vorrang haben. Die Regeln des Arbeitsschutzes gelten im Übrigen immer für alle Beschäftigten gleichermaßen – unabhängig davon, ob sie geimpft sind oder nicht.

JP: Muss ich meinem Arbeitgeber mitteilen, dass ich geimpft bin?
KI: Nein, das müssen Sie nicht, denn von der gesetzlich geregelten Masern-Impfpflicht für Beschäftigte von Kitas und Schulen einmal abgesehen, sind Impfungen reine Privatsache. Dem Arbeitgeber steht gegenüber dem Arbeitnehmer insoweit kein Auskunftsanspruch zu.

JP: Darf ich mich auch während der Arbeitszeit impfen lassen, wenn kein anderer Termin zu haben ist?
KI: Grundsätzlich müssen Sie dafür Sorge tragen, dass Termine zur Gesundheitsvorsorge nach Möglichkeit außerhalb der Arbeitszeit stattfinden. Im Falle der Corona-Schutzimpfung gibt es derzeit jedoch wenig Spielraum bei der Terminvergabe. Sollten also ausschließlich Termine angeboten werden, die in die Arbeitszeit fallen, dürfen Sie diese wahrnehmen. Sie sind insoweit jedoch verpflichtet, Ihren Arbeitgeber so früh wie möglich über diesen Termin zu informieren.

JP: Erhalte ich eine Vergütung für die Zeit, die ich wegen der Impfung meiner Arbeit fernbleiben musste?
KI: Obwohl Gewerkschaften die Lohnfortzahlung fordern, sieht die Impfverordnung dieses Recht nicht ausdrücklich vor. Zwar gilt grundsätzlich, dass Beschäftigte ihr Recht auf Vergütung nicht verlieren, wenn sie ohne eigenes Verschulden aus persönlichen Gründen verhindert sind. Diese Regelung kann aber durch vertraglich anderslautende Regelungen verändert oder ausgehebelt werden. Entscheidend sind insoweit die jeweiligen Bestimmungen im Arbeitsvertrag.

JP: Muss ich mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn ich mich trotz Impfangebot nicht impfen lasse?
KI: Da es, wie bereits gesagt, grundsätzlich keine Impfpflicht gibt, kann ein Arbeitgeber eine fehlende Impfung auch nur bedingt sanktionieren. Beschäftigte, die sich in Quarantäne begeben müssen, haben für die Zeit ihres Arbeitsausfalles grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung ihres Verdienstausfalls durch den Staat. Aber Achtung: Dieses Recht kann entfallen, wenn die Anordnung der Quarantäne durch eine Schutzimpfung, welche öffentlich empfohlen wurde, vermeidbar gewesen wäre. Da aber derzeit noch unklar ist, ob durch die Corona-Schutzimpfung wirklich auf eine Quarantäne verzichtet werden kann, darf zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden, dass trotz fehlender, aber möglicher Impfung eine Entschädigungszahlung fällig ist.

JP: Was passiert, wenn ich die Impfung verweigere und dann an Corona erkranke?
KI: Wer an Covid-19 erkrankt und hierdurch arbeitsunfähig wird, ist grundsätzlich zu behandeln wie jeder andere Beschäftigte. Das heißt, dass der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer im Krankheitsfall bis zu sechs Wochen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber demArbeitgeber hat und im Anschluss Krankengeld von der Krankenkasse erhält. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer an Covid-19 erkrankt, obwohl er sich hätte impfen lassen können.

Man kann sein Recht auf Entgeltfortzahlung jedoch verlieren, sofern man seine Erkrankung selbst verschuldet, sich leichtfertig oder gar vorsätzlich einem Ansteckungsrisiko ausgesetzt hat und so gegen das „von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartenden Verhalten“ verstößt. Dies gilt natürlich nicht nur für Corona-Infektionen, sondern auch für sonstige Erkrankungen, gegen die Impfungen vorhanden und empfohlen sind.

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